Sonntag, 1. Juni 2014

Mangelware

Blauer Himmel. Blau wie ein Wochenendwunder, wenn man vor den Kindern aufwacht und wach ist, wenn alles noch Ruhe ist drinnen im Haus. Draußen vor dem Fenster spielen Kinder in der stillen Straße. Glocken rufen sonntags zur Pflicht. Das tun sie jetzt wieder. Nicht meine, nicht mich. Noch einmal umdrehen, zum Fenster, mal sehen: Der Wind pustet kleine Wolken vor sich her. Zum Spaß. Kaiserwetter nannte es Großmutter früher. Das hat meine Mutter gesagt. Bei uns hieß das dann: Betten abziehen und Wäsche gemacht und dann ab damit auf den Balkon, wo Leinen gespannt waren, bis man gar nichts mehr sah außer Weiß oder Streublümchen und lauter stoffbezogenen Knöpfen. Und oben hielten Wäscheklammern die wehende Freiheit. Nach Südwesten ging's raus. Da gab es viel Wetter. Da ging alles ganz schnell. Und abends waren die Laken manchmal ganz steif, von zu viel Sonne. Und im Bett roch es dann nach dem Tag, nach dem Wind und der Freiheit, die von Wäscheklammern gehalten, angeleint wehte, von Pankow, nach Südwesten, vom zweiten Stock. Alle Großmütter von damals sind tot jetzt, schon lange. Meine Wäsche riecht nicht mehr nach Kindheit und Sonntag, denke ich mit der Decke über dem Kopf, wenn ich die Augen schließe und wieder klein bin, sonntags und wach. Ein Flugzeug zieht Kondensstreifen. Aeroplan ist ein Wort für Gedichte von früher, über Zukunft und Aufbruch, wie jung sein und frei - großes Pionierehrenwort. Das Geräusch fällt mir ein, wie es klingt, mit einem Lappen an den Leinen entlang, hin und zurück und wieder von vorn. Damit's nicht gleich wieder schmutzig - die Luft ist doch nicht sauber, Kind - wird. Komisch, was dann alles wieder da ist, was alles so bleibt. 

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