Donnerstag, 31. Juli 2014

Bleibender Eindruck

Herr Bruchsal legt Wert darauf. "Wenn es so ist, dann ist es so", sagt sich Herr Bruchsal. Dann soll es so sein. Herr Bruchsal sitzt auf einem Küchenstuhl an einem Küchentisch. Herr Bruchsal wischt die Krümel mit dem kleinen Finger seiner rechten Hand zusammen und schiebt sie über das Wachstuch zur Stirnseite des Tisches in seine linke Hand. Herr Bruchsal wohnt über einem Geschäft, in dem früher, als er klein war, Fachverkäuferinnen Kurz- und Meterwaren verkauften. Heute können dort Touristen Frühstücksbrettchen und Fernsehtürme aus Plastik und Kissenhüllen mit Eulen oder Postkarten mit Kiezansichten als Souvenirs erwerben. Herr Bruchsal bevorzugt Teller. Herr Bruchsal fährt gern Bus. Er hat Zeit mittlerweile. Das ist Herr Bruchsal. Manchmal schreibt Herr Bruchsal kleine Geschichten über früher, über Großwerden und Erwachsensein und freut sich über Wörter wie Wachstuch und Kurzwaren. Dann fällt Herrn Bruchsal ein, dass er früher jung war und in Susanne verliebt. Einmal saß er hinter zwei Frauen im Bus und hörte, wie die, die aussah, als hieße sie Susanne, auf die Frage, was wohl aus diesem Bernd geworden sei, antwortete: "Welcher Bernd?", und da beschloss Herr Bruchsal, er müsse etwas hinterlassen. Herr Bruchsal setzte sich an seinen Küchentisch und schrieb eine Geschichte. Pünktlich vor Einsendeschluss von "Unsere schreibenden Leser". Herr Bruchsal zahlte gern die 1,80 für das Einwurfeinschreiben. Nicht, dass am Ende noch die Post ... Lieber auf Nummer sicher. Das ist Herr Bruchsal. Wenn Herr Bruchsal jetzt hinter Susanne säße, könnte er aufstehen, eine Verbeugung andeuten, während er sich entschuldigte, unbeabsichtigterweise ihr Gespräch mit angehört zu haben - das sei ja nicht seine Art, aber er konnte nicht umhin - und sagen, besagter Herr schreibe jetzt für eine Zeitung.
Herr Bruchsal sitzt auf seinem Küchenstuhl an seinem Küchentisch. Maurice Debeuffe (Praktikant Redaktion) bedauert mit freundlichen Grüßen und schreibt "leider" und "Menge der Einreichungen". "Wenn es so ist, dann ist es so", sagt sich Herr Bruchsal, wischt die Krümel mit dem kleinen Finger seiner rechten Hand zusammen, schiebt sie über das Wachstuch zur Stirnseite des Tisches in seine linke Hand und wirft sie in den Ausguss. Herr Bruchsal steht auf, nimmt einen mittelschweren Hammer und geht die zwei Treppen nach unten in das Geschäft mit den Touristenfrühstücksbrettchen, auf denen steht "Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better." 



Beckett gehöre nicht unter Toast, darauf lege er Wert, gibt Bernd B. der eintreffenden Polizei gegenüber zu Protokoll.

Dienstag, 15. Juli 2014

Burkhard Spinnen wird verramscht

"Du hast das Dinkelmehl vergessen", höre ich durch den Schaum in meinen Ohren. Das Dinkelmehl fehlt. Mist. Ich habe das Dinkelmehl vergessen. Dabei hat sie mich doch nur gebeten, Dinkelmehl zu kaufen, das entspelzte. Da bittet sie mich einmal um was. Sagt sie. Und dann vergess ich's. Typisch. Sagt sie. Ich drehe den Hahn zu. "Aber nun ist ja alles zu." Mist, ich habe vergessen, ihr dieses Dinkelmehl mitzubringen. "Wo du auch immer deinen Kopf hast?!" - "Ich könnte zu Famila fahren. Famila hat bestimmt noch auf." Famila - da fährt man über die Autobahn hin. Für Dinkelmehl. Aber Famila hat bestimmt noch auf. Ich setz mich ins Auto. Es gibt Mutter-Kind-Parkplätze. Rein rechtlich betrachtet können sich auch kinderlose Herren konsequenzlos darauf abstellen. Kinder stellen ja keine Behinderung mit Parkplatzanspruch dar. Sie kosten nur Nerven, Heilanstalten gibt es dafür, und Privatversicherte bekommen Einzelzimmer. Ich bedaure, kein kinderloser Einzelherr zu sein, als ich parke. Zu Hause steht ein Ordner "Kinder Kosten". Darin sammle ich Ämterschriftverkehr, Betreuungsgutscheinanträge. Formulare. Instrumentenkarussell. Zukunftsmusik. Zahnspangenquartalsrechnungen. Kostenfaktoren. Kinderreichtum. Kinderlachen macht glücklich. Jaja. Ich werde alt darüber. Immer ist der Kopf voll, den man sich zerbricht. Schulfrage, Schuldfrage. Und darüber hab ich vergessen, ihr das Dinkelmehl zu kaufen. Aber ich bin ja über die Autobahn, weil Famila noch aufhat. Für Dinkelmehl. Wo ich auch immer meinen Kopf hab?! Die nassen Haare zeichnen einen dunklen Rand auf dem Kragen meines Mantels. Wie südliche Küsten. Schaum im Ohr. Aber Famila hat noch auf. Aphrodite war schaumgeboren. Zwischen meinen Ohren. Aber das Dinkelmehl vergess ich. "Du weißt doch, das spelzfreie. Denk bitte dran." Lidl hat das nicht. Aber Famila hat ja noch auf. Die haben doch alles. Das Einkaufserlebnis im Norden. Über die Autobahn, weil ich's vergessen habe, für Dinkelmehl, und stehe konsequenzlos auf einem Mutter-Kind-Parkplatz, weil der ganz nah am Zebrastreifen zum Eigang zum Einkaufserlebnis des Nordens liegt und die Zeit doch läuft. Irgendwann ist's zu spät. Also Dinkelmehl. Und dann macht auch Famila zu. Aber die haben ja alles. Selbst Jette-Joop-Taschen hinter einer Theke aus Plexiglas. Ihr Vater hat doch eine Villa in Potsdam. Vaterlose Mutter-Kind-Parkplätze. Arme Väter. Potsdam ist Osten. Und daneben Wannsee-Westen. Aber das versteht man hier nicht. Berlin ist weit. Zu Famila über die Autobahn. Wegen Dinkelmehl. "Wo hast du nur immer deinen Kopf?" Mein Portemonnaie liegt auf dem Küchentisch. Mist. Im Aschenbecher liegt Einkaufswagengeld. 3,50 retten, klimpern in der Manteltasche wie in meinem Kopf. Das muss reichen. Genug.
Vor den Kassen stehen Kreuzworträtsel-Sudoku-Remittenden-Tische. Mängelexemplare. Preisreduziert. Verlegte Hoffnungen. Nur mal sehen. Fatal. Ich kann doch nicht. Ich muss doch zurück. Sie wartet. Keine Zeit. Aktionspreis. 3,49. Der Reservetorwart. Burkhard Spinnen. Der hat mal Preise ... "Der Mittelweg ist und bleibt der gefährlichste." Kein Zurück.
Ich werde einfach sagen, Dinkelmehl war aus.