Donnerstag, 4. Juni 2015

Konstanzer Schule

In den Staub, der gefallen ist von den Bäumen und gelb liegt auf Straße und Dach, den Wagen der braven und anständigen Leute, hat jemand geschrieben WARUM?, mit spitzem Finger, und ging einfach weiter. Zurück bleiben wir und der Tag und die Frage: gelassen, vermacht, bis der Regen kommt, heiter.

Freitag, 27. März 2015

Einzelhandel

"Es gibt keine Liebe mehr auf der Welt", sagt Frau N., wenn man sie fragt, und seufzt. "Selbst der Gerd und die Doris sagen das", sagt Frau N. 
Frau N. hätte gern einen, der sie lieb hat, dem sie "Danke, nur so" sagen kann, wenn er lächelt: "Wieso?", und dann sagt: "Weil du mir winkst, wenn ich davonfahr und im Rückspiegel sehe, dass du winkst, wenn ich schon um die Ecke bin und das gar nicht mehr sehen kann, aber weiß, dass du noch draußen stehst und schaust, ob es regnet, weil ich vorsichtig fahren soll." Das denkt Frau N., wenn sie die Musik im Radio lauter dreht, weil sie ihre Gedanken nicht hören will und das Drehen der Reifen auf der Straße, die asphaltschwarz glänzt, weil es nieselt. Man sollte vorsichtig fahren, der Staub von den Blüten im Lenz, jajajaja. Und sie glaubt, dass es schön wär, wenn jemand ihr winkte, zum Abschied, nur kurz, wenn sie ginge, nur auf die Schnelle, noch ein Brot, einen Wein kurz vor acht, bin doch gleich zurück, der dann sagte: "Tschüss, bis gleich", denkt sie und kann sich nicht hören, weil die Musik so laut ist, laut wie ein Krach in der Stille, danach. Im Scheinwerferschein tanzen die Tropfen, ganz klein sind sie, und ein feiner Schleier liegt über dem Tag, der zerfließt. Kurz vor acht, noch ein Brot, einen Wein, das ist doch zu schaffen. Da vorne ist Aldi. Die Strecke ist frei, der Rückspiegel leer.

Donnerstag, 12. März 2015

Und gut

Ein weißes Papier ist der Tag. Unter den Beinen, die die Untergrundbahn in den Himmel tragen, der blau ist und hanseatisch strahlt, fließt der Fluss durch die Stadt. Tauben gurren und tun, als wären sie Möwen. Herr D. fährt die Straße am Fluss entlang, um die Leere zu füllen. Er sieht durch die Beine, die die Bahn aus dem Tiefen in den Himmel hieven, gestelzt, ein Als-Ob, die Tauben am Fluss, die keine Ahnung haben und wissen, dass das Meer noch weit ist, an der Mauer, am Kai, die nicht Emma heißen, weil das Publikum hier Möwen nicht kennt. Ein dicker Mann kommt zum Angeln. Flügel fliegen auf. Sie schlagen, steigen hoch und höher als die U-Bahn, und wären sie schneller, würden sie den makellosen Himmel streifen wie ein Düsenjet. Die haben's nicht gut, denkt Herr D., mittelalt, und steht bei Rot, schon um etwas zu denken (der Kopf ist ein leeres Blatt) und denkt über Tauben nach: Ich stehe bei Rot. Ich sehe einen Mann, der auch einmal jung war, jetzt dick und angelnd. Vielleicht kannten wir uns einmal. Ich fahre weiter und werde ihn nie fragen. Leer ist der Tag wie mein Kopf. Schön.

Freitag, 6. Februar 2015

Serendipität

Zwischen den Steinen im Gleisbett der Tram liegt fehl am Platz, kanariengelb, rund wie das O in Obacht ein Knopf, losgerissen, fortgewollt, wer weiß, warum, nun hier: zwischen den Steinen im Gleisbett der Tram. Ich sehe ihm zu, wie er daliegt und aussieht, als würde er warten auf etwas, darauf, gefunden zu werden wie ein verlorener Gedanke, ein Post-it, auf dem "Milch" steht und "Butter" oder "Schatz, ich liebe Dich sehr", und warte. 
Vielleicht denkt er das Gleiche von mir.

Freitag, 2. Januar 2015

Verpasst

Rüdiger war da. Rüdiger hat ein Buch geschrieben. In den Cordhosen, die er noch immer trägt. Sagt Tim. Ich habe Rüdiger nicht erkannt oder war zu spät, weil ich einen Parkplatz suchen musste, oder wollte es nicht, weil damals an der Haltestelle der 49 "Johnny war hier" stand und ich mir wünschte, dass sich Rüdiger Johnny nennt, weil niemand in der Welt "Rüdiger war hier" an eine Haltestelle schmiert. Und dann hätte er ein paar Wochen später auch "Johnny ist glücklich" ranschreiben sollen, weil es mich gibt. Und er das jetzt weiß. Aber das hat er nicht. Und jetzt war er da, und ich habe ihn nicht erkannt, oder ich war zu spät und er schon wieder weg. Tim ist jetzt vierzig und kann ja auch nicht auf alle Gäste achten. Er wusste nur das mit Rüdiger und dem Buch und den Hosen und lachte und meinte: "Naja, der Rüdiger ...", und dass das wohl so nie was mit den Frauen wird.
Vielleicht hätte ich die Bahn nehmen sollen. Dann hätte ich ihm gesagt, was man so sagt: "Schön, dich zu sehen", und ihn gefragt, ob es da, wo er jetzt wohnt, auch eine Straßenbahn gibt. Aber wahrscheinlich hätte er nur komisch geguckt. Das hat er immer. Und nichts gesagt. Höchstens: "Ich bin ganz gern allein. Ist schon ok. Und du so?" Ich hätte mich sagen hören: "Ja, klar." Und gedacht hätte ich: "In meinem Herzen, da bist du allein. Da ist nur Platz für dich." Hätte ich.